Prüfung Düsseldorfer Straßennamen
| Kultur
Straßennamen bieten immer wieder Diskussionsstoff – so auch in Düsseldorf. Der Kulturausschuss der Landeshauptstadt Düsseldorf beauftragte am 8. März 2018 die Mahn- und Gedenkstätte und das Stadtarchiv Düsseldorf damit, zusammen mit einem wissenschaftlichen Beirat all jene Straßennamen zu überprüfen, deren Namensgeber nach dem Jahr 1870 verstorben waren. Denn der Schwerpunkt der Untersuchungen sollte auf den Bereichen Kolonialismus, Militarismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus liegen. Der Beirat nahm im Sommer 2018 seine Arbeit auf und stellte die Ergebnisse der Überprüfungen nun im Kulturausschuss am Donnerstag, 23. Januar, der Öffentlichkeit und der Politik vor: Der Beirat spricht damit jedoch nur Empfehlungen aus. Wie mit den jeweiligen Straßen- und Platznamen weiter umgegangen wird und ob es tatsächlich zu Umbenennungen kommt, kann am Ende nur der Stadtrat beschließen.
Der über 300 Seiten umfassende Abschlussbericht des wissenschaftlichen Beirats inklusive aller 79 Gutachten wird ab Donnerstagnachmittag, 23. Januar, online auf den Seiten des Stadtarchivs und der Mahn- und Gedenkstätte als pdf der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Ziel der Prüfung:
Das vorrangige Ziel der Überprüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennung war es, jene Straßenbezeichnungen zu identifizieren, die mit den Grundsätzen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft unvereinbar sind. Die betreffende Person/Bezeichnung ist selbstverständlich immer in ihrem historischen Kontext zu sehen. Eine einzelne, Kategorien isoliert betrachtende Bewertung bzw. eine solche nach ausschließlich gegenwärtigen Moralvorstellungen wäre unwissenschaftlich. Zudem findet ein Abwägungsprozess statt, der das Spannungsverhältnis von zeitgenössischer Ehrung und notwendiger, auch unbequemer, gegenwärtiger Erinnerung in den Blick zu nehmen hat. Der Beirat war sich der Tatsache bewusst, dass auch seine eigene Arbeit eine zeitgebundene ist, und dass die Bewertung den Kenntnisstand sowie moralische Maßstäbe unserer Gegenwart spiegelt. Es existiert kein Automatismus zur Umbenennung, falls eines oder auch mehrere der oben genannten Kriterien zutreffen sollten.
Zum Vorgehen des wissenschaftlichen Beirats
Von den fast 3.500 mit Namen versehenen Düsseldorfer Straßen erfüllen fast 650 das oben genannte Kriterium: Die Namensgeber verstarben nach 1870. Im Rahmen einer ersten Überprüfung wurde zunächst eruiert, ob und wenn ja, welche Berührungspunkte diese Personen mit den oben genannten Bereichen (Kolonialismus, Militarismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus) hatten. Die danach übriggebliebenen 99 Personen wurden näher in den Blick genommen. Schließlich wurden auf Wunsch des Beirats zu 79 Persönlichkeiten Gutachten angefertigt. Alle anderen Straßenbezeichnungen waren unverdächtig beziehungsweise so unzureichend dokumentiert, dass eine vertiefte Recherche unverhältnismäßig gewesen wäre.
Die 79 Gutachten gingen dem wissenschaftlichen Beirat zu. Der Beirat tagte fünf Mal und wies jede der Personen, zu denen Gutachten angefertigt wurden, einer Kategorie zu.
Folgende Kategorien wurden vergeben:
Kategorie A: schwer belastet/nicht haltbar
Hier schlägt der wissenschaftliche Beirat eine Umbenennung vor. Die Gesamtbiographie lässt sich in diesen Fällen mit einer Ehrung – und das ist eine Straßenbenennung - nicht vereinbaren.
Kategorie B: teilweise belastet/diskussionswürdig
Die Lebensläufe der hier eingestuften Persönlichkeiten bzw. Namen geben Anlass zu Kritik und sind durchaus diskussionswürdig. Alles in allem sprach nach jetzigem Kenntnisstand allerdings die Gesamtlebensleistung der Personen für eine Beibehaltung des Straßennamens.
Kategorie C: unbelastet
Die Straßennamen der Kategorie C werden vom Beirat nicht für eine Umbenennung vorgeschlagen. Die dahinter stehenden Persönlichkeiten sind entweder wenig belastet oder gar unbelastet. Gleichwohl gibt es auch in dieser Kategorie Straßenbenennungen, die heute keine Mehrheit mehr finden würden.
Die Ergebnisse des wissenschaftlichen Beirats
In die Kategorie A fielen folgende, somit zur Umbenennung vorgeschlagene zwölf Straßennamen:
- Pfitznerstraße
Hans Erich Pfitzner (1869-1949), deutscher Komponist, Dirigent und Autor
- Petersstraße
Dr. Carl Peters (1856-1918), deutscher Kolonialpolitiker und Afrikaforscher
- Wissmannstraße
Hermann von Wissmann (1853-1905), deutscher Offizier, Kolonialbeamter und Afrikaforscher; Reichskommissar
- Porschestraße
Ferdinand Porsche (1875-1951), deutscher, österreichischer und tschechoslowakischer Automobilkonstrukteur und Unternehmer
- Münchhausenweg
Börries Freiherr von Münchhausen (1874-1945), deutscher Lyriker; Senator der Deutschen Akademie der Dichtung
- Lüderitzstraße
Franz Adolf Eduard von Lüderitz (1834-1886), deutscher Kaufmann; Kolonialist
- Woermannstraße
Adolph Woermann (1847-1911), deutscher Kaufmann und Großreeder; Kolonialist
- Leutweinstraße
Theodor Leutwein (1849-1921), deutscher Kolonialpolitiker; Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika
- Schlieffenstraße
Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913), preußischer Generalfeldmarschall
- Wilhelm-Schmidtbonn-Straße
Wilhelm Schmidt(bonn) (1876-1952), deutscher Schriftsteller und Dramatiker
- Heinz-Ingenstau-Straße
Heinz Ingenstau (1910-1971), deutscher Jurist; Stadtdirektor von Düsseldorf
- Hans-Christoph-Seebohm-Straße
Hans-Christoph Seebohm (1903-1967), deutscher Politiker und Ingenieur; Bundesminister für Verkehr und Vizekanzler der BRD
Der Kategorie B wurden 25 Straßen zugewiesen, der Kategorie C 42 Straßennamen. Eine Liste mit allen kategorisierten Straßennamen findet sich in der Anlage, ebenso die Gutachten zu den Straßen der Kategorie A.
Der Beirat schlägt außerdem vor, alle in die Kategorie B eingeordneten Straßennamen mit erklärenden Tafeln/Schildern zu versehen. Diese sollten allerdings mehr Platz bieten als die bisher zur Erläuterung verwendeten Flächen.
Im Kontext seiner Arbeit stellte der Beirat fest, dass konkretere Regularien zur Benennung von Straßen sinnvoll sein könnten. Daher stellt er folgenden, gegebenenfalls an geeigneter Stelle aufzunehmenden Text zur Diskussion:
"Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf ehrt verdiente Persönlichkeiten auf verschiedene Weise für Ihre Leistungen oder ihr Engagement. Zu den größten Ehrungen, die im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung vergeben werden können, zählt die Benennung einer Straße, eines Weges oder eines Platzes auf dem Stadtgebiet. Die Landeshauptstadt Düsseldorf ehrt mit einer solchen Benennung ausschließlich verstorbene Persönlichkeiten, die sich ehrenamtlich oder weit über ihren Berufsalltag hinausgehend für die Bürgerinnen und Bürger eingesetzt und engagiert haben oder sich durch sonstige herausragende Leistungen auszeichneten. Diese Leistungen können auf sozialer, politischer, kultureller oder künstlerischer, sportlicher, wirtschaftlicher oder publizistischer Ebene oder im lokalen Brauchtum und Ehrenamt erbracht worden sein. Gewürdigt wird die gesamte Lebensleistung einer Persönlichkeit. Verbunden mit dieser Ehrung ist neben der Würdigung der Person und ihrer Leistung vor allem der Vorbildcharakter für die Bürgerinnen und Bürger: Die geehrte Person sollte dem Leitgedanken der Landeshauptstadt von Weltoffenheit, Toleranz und Menschlichkeit nicht entgegenstehen. Jüngere Generationen müssen in der geehrten Person einen Vorbildcharakter für ein gesamtstädtisches Gemeinwesen erkennen können. Straßenbenennungen werden zunächst der Fachverwaltung (Stadtarchiv und Mahn- und Gedenkstätte) zur Überprüfung vorgelegt."
Im Rahmen seiner Arbeit erreichten den Beirat auch aus der Bürgerschaft mehrere Vorschläge zur Benennung von Straßen, die gegebenenfalls bei Umbenennungen Berücksichtigung finden könnten.
Weiteres Vorgehen:
Alle Vorschläge des wissenschaftlichen Beirats inklusive der Kategorisierung der Straßennamen haben Vorschlagscharakter und sind nicht bindend. Allein der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat das Recht, Straßen- und Platzbenennungen zu ändern. Ob er den Vorschlägen des Beirats in Gänze, teilweise oder auch überhaupt nicht folgt, ist eine politische Entscheidung.
Hintergrund zum wissenschaftlichen Beirat:
In ihren Grundzügen folgte die Struktur der Überprüfung jener der Stadt Freiburg i.Br. (Überprüfung der Namen wurde dort 2016 abgeschlossen). Der wissenschaftliche Beirat in Düsseldorf bestand aus folgenden Personen: Als Vorsitzende Dr. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, sowie Dr. Benedikt Mauer, Leiter des Stadtarchivs. Als Mitglieder Prof. Dr. Volker Ackermann, Heinrich-Heine-Universität/Vorsitzender Düsseldorfer Geschichtsverein, Dr. Peter Henkel, Mahn- und Gedenkstätte, seit 1. November 2018 Projektgruppe "Haus der Landesgeschichte NRW", Sigrid Kleinbongartz, stellvertretende Leiterin des Stadtmuseums, Dr. Julia Lederle-Wintgens, stellvertretende Leiterin des Stadtarchivs, Rajiv Strauß (Referent im Büro des Oberbürgermeisters für den Bereich Kultur) sowie je ein beratendes Mitglied aus jeder Ratsfraktion (beratend/ohne Stimmrecht).
Weitere Informationen:
Auf der Website des Stadtarchivs Düsseldorf: https://www.duesseldorf.de/stadtarchiv.html
oder auf den Seiten der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf: https://www.duesseldorf.de/mahn-und-gedenkstaette.html