Nachruf auf Joachim Klinger
| News Sammlung - Amt 41-214
Von 1975 bis 1985 war ich Leiter der internationalen Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen. Dr. Joachim Klinger, der Filmreferent im Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, zuletzt als Leitender Ministerialrat, war mir im oft wilden Gewoge zwischen unterschiedlichsten Interessen und Erwartungen, auch in der Verteidigung der Unabhängigkeit des Oberhausener Festivals gegen engstirnige Verwaltungsbeamte und ideologiegesteuerte Politiker ein zuverlässiger Anker. Ohne sich selbst nach vorn zu spielen, stand er einem immer wieder mit klugem Rat und entschiedener Tat zur Seite. Er half auch schon mal die Obersten des Landes, den Kultusminister und auch den Ministerpräsidenten, aufzubieten, wenn es um die Sicherung des Oberhausener Festivals ging. Das war nicht nur bei mir so. Der Filmjournalist Peter Kremski, bei meiner Nachfolgerin in den 1980er Jahren tätig, schreibt in seinem Nachruf auf Facebook: „Er war ein großer Rückhalt für Festivalleiterin Karola Gramann, die gegen viele Anfeindungen zu kämpfen hatte.“
Aber das Oberhausener Festival war nur ein Schauplatz seines Wirkens. Joachim Klinger war über viele Jahre – eben nicht nur von Amts wegen, sondern auch mit nachhaltiger Leidenschaft, wobei das eine das andere erst zur richtigen Wirkung brachte, ein ungemein wichtiger Förderer und Anreger, ein Ermutiger vor allem, bei der Entwicklung der Filmlandschaft an Rhein und Ruhr. Das war eine Zeit des Aufbruchs für die spezifische Filmkultur der Region: Die Filmemacher aus NRW schlossen sich zusammen und gründeten 1980 während der Oberhausener Kurzfilmtage im Nebenraum der Kneipe in der Luise Albertz-Halle unter dem Motto „Die Wüste lebt“ das Filmbüro NRW. Der erste Sitz des Filmbüros war dann, dank der Vermittlung von Werner Nekes, im Schloß Broich in Mülheim/Ruhr. Klinger war auch maßgeblich daran beteiligt, dass in Düsseldorf 1979 ein Filminstitut gegründet wurde, das sich zum Filmmuseum weiterentwickelte. Überall, wo es der sinnvollen Förderung cinéastischer Initiativen bedurfte, konnte man mit seiner Aufmerksamkeit rechnen.
Der aus Dortmund gebürtige Jurist Dr. Joachim Klinger wirkte auf den ersten Blick so wie der korrekte Beamte, der sich stets an seine Paragraphen hält. Das mag er zwar auch gewesen sein. Doch lernte man ihn persönlich kennen, so begegnete man einem ungemein lebendigen und offenen Intellektuellen der noblen Art – und auch noch einem geistreichen Poeten und einem inspirierten Künstler. Diese Leidenschaft pflegte er bis zuletzt. Noch im vergangen Jahr schenkte er mir zwei kleine Aquarelle. Wer seinen besonderen Witz kennenlernen will, der mag sich das Büchlein „Wie sah Goethe wirklich aus?“, das 2021 erschien, besorgen - oder den folgenden Link zum Wilhelm-Fabry-Museum nutzen. Das ursprünglich medizinhistorische Museum im rheinischen Hilden, wo Joachim Klinger mehr als 40 Jahre lebte, zeigte mehrere Ausstellungen seiner Werke und verfügt über eine mehr als 300 Arbeiten umfassende Sammlung seiner Karikaturen und Zeichnungen, die unlängst auf der Plattform Museum Digital veröffentlicht wurden. Die Fülle und Vielfalt seines künstlerischen Schaffens, die man hier erfahren kann, beeindrucken.
Werner Biedermann drehte 1994, als Joachim Klinger er in den Ruhestand ging, ein Filmporträt: „Die zwei Welten des Dr. K.“ Der Film wurde natürlich nicht aus Filmförderungsmitteln des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert, sondern durch Spenden der Mitglieder des Filmbüros NRW. Sein Abschied berührt mich, auch ich bin ihm dankbar. In der Geschichte Nordrhein-Westfalens als Filmland verdient Joachim Klinger einen Ehrenplatz.
Wolfgang J. Ruf (Leiter der Westdeutschen Kurzfilmtage Oberhausen von 1975 – 1985)