Wie kommen Kunst- und Kulturobjekte ins Museum? Dieser Frage widmet sich die Provenienzforschung. Provenienz kommt aus dem Lateinischen von provenire, was „her(vor)kommen“ oder „her(vor)gehen“ bedeutet, und bezeichnet die Erforschung der Herkunft von Objekten.
Provenienzforschung setzt sich mit der Geschichte, den Besitz- und Standortwechseln eines Kunst- oder Kulturgegenstandes, vom Ort und Zeitpunkt des Schaffens bis zu seinem heutigen Aufbewahrungsort auseinander. Ziel ist es, möglichst lückenlos die Besitzer- und Eigentümerfolge eines jeden Objekts zu rekonstruieren. Dabei rückt die Institutions- und Sammlungsgeschichte verstärkt in den Vordergrund. Wer waren die Vorbesitzer oder Vorbesitzerinnen der heute in den Museen befindlichen Objekte, haben sie das jeweilige Objekt der Institution geschenkt, ist es angekauft oder ersteigert worden, wann und unter welchen (politischen) Umständen ist dies geschehen, welcher Preis wurde dafür bezahlt? Die Biografien der Objekte sind genauso individuell wie die ihrer Besitzer, und es gilt die Devise: „Jeder Fall ist anders.“
Eine besondere Bedeutung kommt der Provenienz von Kunst- und Kulturgütern zu, die ihren Eigentümern im Zusammenhang mit den Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes zwischen 1933 und 1945 entzogen wurden. Die diesbezügliche Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Deutschland erfolgt auf Grundlage
der Washingtoner Erklärung (1998)
der Gemeinsamen Erklärung (1999)
der Theresienstädter Erklärung (2009)
der Handreichung
Private Kunstsammlungen und Bibliotheken verfolgter Personen wurden aus rassischen, ethischen, religiösen und politischen Gründen unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung aufgelöst und häufig unter Wert verkauft. Die wirtschaftliche Verdrängung der Verfolgten ging dabei oft einher mit zwangsbedingten Verkäufen ihres Hab und Guts. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden durch die Bemühungen der Alliierten viele der Objekte an die ursprünglichen Eigentümer restituiert, doch blieben unzählige Kunst- und Kulturgüter verschollen, verwaist oder weiterhin im Besitz derer, die sie sich unrechtmäßig angeeignet hatten.
Widerrechtlich angeeignete Objekte gelangten direkt oder über Umwege in öffentliche Einrichtungen Deutschlands. Auch die Landeshauptstadt Düsseldorf steht daher vor der Aufgabe, die Herkunft ihrer Sammlungen in den Depots und Ausstellungsräumen aufzuklären – und dazu gehören neben den Werken der bildenden Kunst auch umfangreiche Bücherbestände, naturwissenschaftliche Gegenstände, Autographen, Alltagsgegenstände oder kunstgewerbliche Objekte. Mögliche, in ihrem Eigentum befindliche NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunst- und Kulturgüter sollen identifiziert und für den weiteren Umgang mit ihnen nach einer „gerechten und fairen Lösung“ mit ihren vormaligen Eigentümern bzw. den heutigen Erben gesucht werden.
In Düsseldorf werden seit 2009 Anstrengungen unternommen, mögliches Raubgut aus ehemaligen jüdischen Privatsammlungen festzustellen. Finanziell unterstützt wurden die
Provenienzforschungsprojekte
von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung und seit Januar 2015 von der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste.
Die drängenden Fragestellungen der Provenienzforschung beschränken sich allerdings nicht nur auf die Zeit des Nationalsozialismus. Auch andere Unrechtskontexte in Bezug auf Fragen zu SBZ- und DDR-Unrecht sowie koloniale Kontexte rücken immer mehr in den Fokus der Forschung, erweitern sie interdisziplinär und gehören zukünftig zum Aufgabenspektrum der Provenienzforschung.
Aus dem hohen Forschungsbedarf in den Sammlungen der städtischen Kunst- und Kulturinstitute entwickelte sich bald die Notwendigkeit einer festen Verankerung der Provenienzforschung in der Landeshauptstadt. Mit einer ersten unbefristeten Stelle für Provenienzforschung, angesiedelt im Kulturdezernat der Landeshauptstadt Düsseldorf, wurde im Oktober 2016 die Grundlage zur Verstetigung und Systematisierung des komplexen und schwierigen Tätigkeitsfeldes geschaffen. 2019 wird die
Infrastruktur der Provenienzforschung
weiter ausgebaut, um der Aufgabe effektiv, nachhaltig und langfristig nachzukommen.