Satzung zum Schutz des Denkmalbereichs Stadtteil Derendorf "Am Tannenwäldchen" in der Landeshauptstadt Düsseldorf

vom 26. Januar 1990

Düsseldorfer Amtsblatt Nummer 5 vom 03. Februar 1990
Redaktioneller Stand: Oktober 1997

Der Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf hat in seiner Sitzung am 24. August 1989 aufgrund § 5 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande Nordrhein-Westfalen (Denkmalschutzgesetz - DSchG NW) vom 11. März 1980 (GV NW S. 226/SGV NW 224) folgende Satzung beschlossen:


§ 1 Anordnung der Unterschutzstellung

Hiermit wird der in § 2 beschriebene Bereich des Stadtteils Derendorf gemäß § 5 DSchG NW unter Schutz gestellt.


§ 2 Örtlicher Geltungsbereich

Der Denkmalbereich umfaßt die Hausgrundstücke der Hugo-Viehoff-Straße von Haus Nr. 1 bis Haus Nr. 19, der Johannstraße von Haus Nr. 2 bis Haus Nr. 28 sowie die Bebauung der Straßen "Am Tannenwäldchen" und "Am Adershof".

Der Geltungsbereich wird durch die Umrandung im beiliegenden Übersichtsplan (M. 1:1000) gekennzeichnet. Dieser Plan ist Bestandteil der Satzung (<link file:116361 _blank link-download darstellung des geltungsbereichs der>Anlage 1).


§ 3 Sachlicher Geltungsbereich

(1) Mit dieser Satzung werden insbesondere erfaßt:

- die Baudenkmäler "Am Tannenwäldchen" Nr. 1-16, "Am Adershof" Nr. 4-11, Hugo-Viehoff-Str. 1-3, 7-17
- die im Denkmalbereich befindlichen Freiflächen und Verkehrsflächen
- die im Übersichtsplan im Sinne von § 25 (2) DSchG NW als erhaltenswert eingestuften gekennzeichneten Häuser Johnannstr. 2-20

(2) Dieser Satzung wird neben dem Übersichtsplan mit der Festlegung des Geltungsbereiches sowie der Darstellung der erhaltenswerten und denkmalwerten Gebäude als Anlage beigefügt:

- Fotodokumentation der Straßenfassaden im Denkmalbereich (Anlage 2)

Diese Anlage ist ebenfalls Bestandteil dieser Satzung.

Das Gutachten des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege gemäß § 22 Abs. 3 DSchG NW vom 14. Januar 1985 ist als Anlage 3 ebenfalls beigefügt.


§ 4 Erlaubnispflichtige Maßnahmen

Maßnahmen nach § 9 DSchG NW in dem festgelegten Denkmalbereich sind erlaubnispflichtig. Die Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes finden Anwendung.


§ 5 Begründung

Für die Entstehung der Musterbausiedlung "Am Nordfriedhof" ist die damalige wirtschaftliche und finanzielle Situation nach dem Ersten Weltkrieg ausschlaggebend. Die Wohnungsknappheit und die Stagnation im Wohnungsbau nach dem Ersten Weltkrieg verstärkte die schon vor Kriegsbeginn bestehende Wohnungsnot. Durch die Inflation und Reparationszahlungen, vor allem Sachlieferungen wie Kohle und andere Rohstoffe, gerieten viele Unternehmer in große Verschuldung und verloren Grund und Boden. Bedingt durch diese Entwicklung verschob sich für die Architekten die Auftraggeberseite, die in dieser Zeit weniger bei Privatleuten, sondern in der Hauptsache beim Staat und bei öffentlichen Einrichtungen lag. Der Städtebau erhielt eine neue Bedeutung.

Infolge der großen Baustoffknappheit versuchte man, neue Baustofftechniken zu entwickeln, die die alten herkömmlichen Baustoffe, z.B. den Ziegelstein, ersetzen sollten und dabei bestimmte Anforderungen, wie den Wärmeschutz = Kohleersparnis im Hausbrand, erfüllen mußten. Aus diesem Grund erließ der Preußische Minister für Volkswirtschaft am 24. November 1919 ein Schreiben zur Spar- und Ersatzbauweise, in dem die Städte und Gemeinden aufgefordert wurden, Gebäude mit alternativen Baustoffen zu erstellen und die Erfahrungen damit dem Minister mitzuteilen. Der Vergleich der Bauten sollte sich hauptsächlich auf folgende Punkte erstrecken:

  1. schnellste Herstellungsmöglichkeit
  2. niedriger Kostenaufwand
  3. Standfestigkeit
  4. gute Wärmeisolierung.

Um Erfahrungen auf diesem Gebiet sammeln zu können, wurde von der Stadt Düsseldorf im Rahmen dieses Erlasses in den Jahren 1919/1920 eine Musterbausiedlung errichtet, um die einzelnen von bedeutenden Firmen entwickelten Systeme zu erproben.

Der Bauausführung war ein Bauprogramm zugrunde gelegt, das u.a. Einzelwohnhäuser mit je zwei Wohnungen und Doppelwohnhäuser mit je vier Wohnungen vorsah, die nach dem Bauprogramm die gleiche Anzahl der Räume sowie die gleiche Grundfläche haben mußten. Es sollten bei der Erstellung der Techniken der verschiedenen Hohlbausteinverfahren und damit die zweischalige Wand, der Lehmbau, der Holzbau und im Vergleich dazu der Ziegelbau erprobt werden. Anhand der Baupläne kann man einzelne Bausysteme ablesen, wobei sich in der Ausführung einige Änderungen ergeben haben. Beim Vergleich erwiesen sich die als Ersatz für Ziegelmauerwerk entwickelten Formsteine aus Bims- oder Schlackenbeton (Fa. Sandvos "Am Adershof" Nr. 4) wegen ihrer wärmetechnischen Vorzüge als sehr vorteilhaft.

Die Musterbausiedlung besitzt ein einziges Fachwerkhaus ("Am Tannenwäldchen" Nr. 4), das aber im Kostenaufwand als ungünstig beurteilt wurde. Ein Holzskelettbau an der Hugo-Viehoff-Straße (Nr. 9) wurde nicht ausgeführt. Bei den zweischaligen Wandsystemen handelte es sich um Außen- und Innenwände aus Zementdielen oder Leichtbeton, die zwecks ihrer Standfestigkeit durch Betontragestützen verbunden waren und deren Hohlräume mit z.B. Hochofenschlacke verfüllt wurden. Dieses System erwies sich jedoch als zu arbeitsaufwendig und im Preisvergleich mit dem Ziegelmauerwerk sogar als teurer.

Die beim Bau des Vierfamilienwohnhauses "Am Adershof" Nr. 6 und Nr. 8 verwandte Bauweise "Gasterstaedt", entwickelt von der Firma Florack, die auch die ausführende Firma vom Oberlandesgericht Düsseldorf und dem Carsch-Haus in Düsseldorf war, hat einen ähnlichen Aufbau: eine zweischalige Wand, hier allerdings außen in Ziegelstein und innen mit Schwemmstein und dazwischenliegender Luftschicht.

Die Musterbausiedlung "Am Nordfriedhof" dokumentiert die Möglichkeiten der schnellen und sparsamen Bauweise und die damit verbundenen Entwicklungen auf dem Sektor der Baustofftechnik Ende des Ersten Weltkrieges. Für seine Entstehung zeichneten nicht nur große Baufirmen (Wayss & Freytag, Dyckerhoff & Widmann, Beton- und Monierbau), sondern auch bekannte und bedeutende Architekten wie J. Kleesattel, E. L. Wehner, Franzius und Krieger verantwortlich.

Als charakteristische Einzelbeispiele für die Bandbreite der entwickelten Baustofftechniken sind das Fachwerkhaus "Am Tannenwäldchen" Nr. 4 (Arch. E. L. Wehner), das Vierfamiliendoppelhaus "Am Adershof" Nr. 6 und Nr. 8 in zweischaliger Bauweise (außen Ziegelstein, innen Schwemmstein bzw. Schlackensteine, Architekten: J. Kleesattel, E. L. Wehner) und "Am Tannerwäldchen" Nr. 7 und 10 in Hohl- und Blocksteinmauerwerk System "Rang" (Westdeutsche Siedlungsbau GmbH) zu nennen. Das Erscheinungsbild der Musterbausiedlung wird nicht nur durch Einzelbauten verständlich, sondern auch durch die gesamte Struktur der Siedlung: den Grundriß der Anlage, den Verlauf und die Breite der Straßenzüge, die Höhenentwicklung der Bauten, die Ausnutzung der Grundstücke, die Straßensilhouette, die engere Umgebung, die Gartenanlagen und die Vorgärten. Die Siedlung verkörpert die damals neu entstehenden Gesichtspunkte über "Gesundes Wohnen zu tragbaren Mieten".

Erwähnenswert ist in dieser Entwicklungsphase hier auch, daß nach der Gründungswelle der Wohnungsbaugenossenschaften Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die ihre Tradition in der Selbsthilfe der wirtschaftlich Schwachen sahen, nach dem Ersten Weltkrieg eine zweite Neugründungswelle einsetzte, die auch durch den Umbruch vom Kaiserreich zu demokratischen Strukturen begünstigt wurde. Die Bedeutung der Siedlung wuchs und mit ihr traten wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Gesichtspunkte in den Vordergrund. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war auch die Entstehung einer einheitlichen Rechtsgrundlage auf dem Gebiet des Bauordnungsrechts. Die bis dahin bestehenden fast 300 Städtebauordnungen wurden ersetzt durch das Wohnungsgesetz vom 28. März 1918. Hier wurde erstmalig verbindlich die Bebauungsdichte vom Stadtinnern zu Außenbezirken geregelt. Neue Gesichtspunkte der Flächenausnutzung und die max. Geschoßzahl traten auf. Das Straßenbild erhielt eine neue Bedeutung. Es entstanden neue Begriffe über gesundes Wohnen und wichtige Aspekte für die Stadtbildprägung. Beziehungen zwischen den Bauten und Plätzen, die geschlossene bzw. offene Bebauung und Grünzonen.

Aus vorgenannten Gründen ist die Musterbausiedlung "Am Nordfriedhof", gebaut von namhaften Architekten und Baufirmen, als Ganzes ein Denkmal, da sie in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der alternativen Baustofftechnik Ende des Ersten Weltkrieges dokumentiert.

In die Bereichsgrenze wird die Bebauung an der Johannstraße mit einbezogen, da sie zeitgleich und in offensichtlicher Abstimmung mit dem Bau der Musterbausiedlung entstanden ist.


§ 6 Inkrafttreten

Diese Satzung tritt mit dem Tage nach der Bekanntmachung in Kraft.