Veranstaltung Podiumsdiskussion Sinti und Roma
Veranstaltung Podiumsdiskussion Sinti und Roma
"Nach Auschwitz geht das Leben weiter" - Ein Zeitzeugengespräch mit Podiumsdiskussion im Walter-Eucken-Berufskolleg
Das Walter-Eucken-Berufskolleg und das Max-Weber-Berufskolleg luden interessierte Klassen und Einzelpersonen zu dieser Veranstaltung am 21.10.2015 ein. Im Fokus der zweistündigen Veranstaltung stand die Lebenssituation der Sinti und Roma zwischen Akzeptanz und Diskriminierung in Düsseldorf, Deutschland und der EU. Zunächst sprach der niederländische Sinto Zoni Weisz über sein bewegendes Schicksal. Durch einen Zufall, etwas Hilfe und Glück überlebte er als siebenjähriger Junge die systematische Verfolgung und Ermordung der niederländischen Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten. Seine Familie überlebte die Konzentrationslager Auschwitz und Mittelbau-Dora nicht.
Unermüdlich leistet er Aufklärungsarbeit über den Völkermord an den Sinti und Roma. So sprach er auch 2011 zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag und ist im kommenden Jahr eingeladen, vor den Vereinten Nationen vorzutragen. Auch zahlreichen Schülergruppen berichtete er über das unvorstellbare Leid, das er in jungen Jahren erfahren musste, und erinnert sich dabei an die letzten Augenblicke mit seiner Familie, schildert seine Gefühle sowie Geräusche und Bilder, die sich ihm unvergessen eingeprägt haben.
Er erinnerte in seinem Vortrag daran, dass neben den rund sechs Millionen ermordeten Juden auch etwa 500.000 Sinti und Roma den Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Aber er möchte auch nach vorne schauen. Ihm ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass Sinti und Roma seit etwa 600 Jahren ein integraler Bestandteil der europäischen Gesellschaft sind. Sie hätten ihre eigene Kultur, ihre eigene Sprache und eigene Gebräuche, fühlten sich aber dennoch primär als Angehörige des Staates, in dem sie leben und aufgewachsen sind. Sinti und Roma der neueren Generation würden sich seines Erachtens nicht mehr so stark in ihren eigenen Kulturkreis zurückziehen und gingen offener mit ihrem kulturellen Hintergrund um.
Bildung ist für ihn ein wichtiger Schlüssel zur Integration. Während sein Vater zwar angesehener Instrumentenbauer, aber dennoch Analphabet war, begann Zoni Weisz nach dem Krieg eine erfolgreiche Schullaufbahn und eine Lehre zum Floristen. Er wurde ein bekannter und mehrfach ausgezeichneter Blumenkünstler, der auch das niederländische Königshaus belieferte.
Herr Beigeordneter Dr. Keller hatte in seinem Grußwort bereits auf die Relevanz von Menschlichkeit und Toleranz in unserer Gesellschaft hingewiesen. Vor dem Hintergrund der sogenannten Pegida-Bewegung und den erschreckenden fremdenfeindlichen Äußerungen, die in aller Öffentlichkeit - und zum Teil mit deren Zuspruch, gemacht würden, sei es besonders wichtig, das Gedenken an das zweifellos dunkelste Kapitel deutscher Geschichte wachzuhalten, ein Bewusstsein für ein friedliches und offenes Miteinander zu schaffen und dieses ständig zu erneuern. Zoni Weisz knüpfte mit seiner Forderung an, vor Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung nicht die Augen zu verschließen, sondern hinzuschauen und einzugreifen. In einigen Ländern der Europäischen Union würden Sinti und Roma immer noch oder erneut von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt. Es sei für ihn unerträglich zu sehen, dass es wieder regelrechte Ghettos für Sinti und Roma gebe und Lokale, in denen "Zigeunern" der Zutritt verwehrt würde. Die Europäische Union nenne sich selbst "zivilisiert", und doch würde ein solches Verhalten in manchen Ländern toleriert.
Darauf ging auch das Podium ein, das nach dem Vortrag von Zoni Weisz über die aktuelle Situation von Sinti und Roma diskutierte. Podiumsteilnehmer waren neben Zoni Weisz Roman Franz, Vorsitzender des Landesverbandes NRW Deutscher Sinti und Roma, Nedmije Kurtesi und Jasar Dzemailovski, beide junge Düsseldorfer Sinti und Roma. Nedmije Kurtesi, vor einigen Jahren aus dem Kosovo geflohen, berichtete eindrücklich über die Vertreibung ihrer Familie und das Unrecht, das dort nach wie vor an Sinti und Roma begangen werde. Auch Roman Franz wusste zu berichten, dass es Sinti und Roma insbesondere am östlichen Rand Europas nicht leicht gemacht werde, ein normales Leben zu führen, die Schule zu besuchen, eine Ausbildung zu machen oder einen Beruf auszuüben. Gewalt gegen diese Bevölkerungsgruppe sei alltäglich. Vor diesem Hintergrund wurde die Einstufung dieser Länder als "sichere Herkunftsländer" durch die EU kritisiert, bedeutet es doch, dass Flüchtlinge aus diesen Staaten unverzüglich wieder dorthin abgeschoben werden können.
Aber auch in Deutschland würden Sinti und Roma nach wie vor Vorurteilen und Stereotypen begegnen. Jasar Dzemailovski, Student der Politikwissenschaften und engagiert bei Terno-Drom, einer Organisation für junge Sinti und Roma, berichtete, dass er den abwertenden Charakter des Begriffs "Zigeuner" auch im Gespräch mit jungen Menschen immer wieder verdeutlichen müsse. Nichtsdestotrotz betonte er, dass er - anders als seine Großeltern - offen zu seinen kulturellen Wurzeln stehe und gerne darüber aufkläre, was es für ihn bedeutet, Roma zu sein.
Abschließend äußerte der Moderator, Merfin Demir, die Hoffnung, mit dieser Veranstaltung zu mehr Verständnis und Toleranz beigetragen zu haben.