Homeoffice, Videokonferenzen, flexiblere Arbeitszeiten. Die Pandemie hat den Arbeitsalltag und damit auch die Arbeitsmobilität verändert. Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich dadurch im Hinblick auf neue Mobilitätskonzepte? Ein Gespräch mit Thomas Vieten, Referent für Verkehrswirtschaft bei der IHK Düsseldorf.
Corona hat gezeigt: In vielen Berufen lässt es sich gut auch im Homeoffice arbeiten. Die technischen Voraussetzungen dafür haben Unternehmen spätestens in den vergangenen Monaten geschaffen. Haben wir nun dank des pandemiebedingten Digitalisierungsschubes die Lösung gefunden für volle Züge und Staus zu Stoßzeiten?
Nein. Es bringt etwas, aber die Lösung ist es nicht. Erst einmal ist es zwar richtig, dass die Arbeitsmobilität sich durch die Pandemie verändert hat – und das vermutlich auch nachhaltig: Wochenendpendler aus Berlin oder anderen Städten fahren jetzt vielleicht nur noch für vier Tage zum Arbeiten nach Düsseldorf und machen einen Homeoffice-Tag. Das kann eine kleine Entlastung zu Stoßzeiten bringen. Auch Düsseldorfer, die einen Teil ihrer Arbeitszeit weiterhin im Homeoffice verbringen, werden dazu beitragen, den Stadtverkehr zu entlasten. Aber Corona hat auch gezeigt, dass es Branchen und Verkehre gibt, die vom Homeoffice nicht profitieren können. Wir haben ja zum Beispiel auch Güterverkehr auf den Straßen.
Wer auch zu Lockdown-Zeiten mobil bleiben musste, ist häufig auf Individualtransportmittel umgestiegen. Inwieweit hat dieses „Ausweichverhalten“ über die Coronazeiten hinaus Auswirkungen auf Mobilitätskonzepte und -angebote in unseren Städten?
Die Fahrrad- und Autoindustrie haben in der Pandemie ganz klar davon profitiert, dass viele Menschen den ÖPNV – meist aus Angst vor Ansteckung – eher gemieden haben. Was ein Mehr an Autos angeht, können wir aber nicht viel machen. Es gibt einfach keinen Platz mehr für noch mehr Straßen. Eventuell sollten aber die Ladekapazitäten weiter ausgebaut werden, um E-Mobilität zu fördern.
… und wie sieht es mit dem Fahrradverkehr aus?
Mit Blick auf neue, fahrradfreundliche Verkehrskonzepte hat die Pandemie die Lobby der Radfahrer deutlich gestärkt. Hier wirkt Corona wie ein Beschleuniger für gute entsprechende Mobilitätskonzepte, die es aber bereits vorher gab, zum Beispiel für sogenannte Rad“autobahnen“. Dazu gehört auch die geplante Radschnellverbindung zwischen Düsseldorf und seinen Nachbarstädten Neuss, Langenfeld und Monheim am Rhein. Nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung Ende vergangenen Jahres wird hier jetzt die konkrete Route geplant. Klar ist aber auch: Nicht alles geht per Rad – auch nicht per Lastenrad. Unsere Wirtschaft besteht ja nicht nur aus Paketdiensten. Deswegen brauchen wir nach wie vor Straßen. Ziel von Mobilitätskonzepten muss es daher vorrangig sein, die Bedarfe der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer*innen in Übereinstimmung zu bringen.
Welche Folgen und Herausforderungen sehen Sie speziell für den ÖPNV?
Der ÖPNV könnte durch flexiblere Arbeitsmobilität zwar davon profitieren, indem die Stoßzeiten abgemildert werden. Positive Erfahrungen mit Individualverkehrsmitteln als Alternative und weiterhin vorhandene Ängste vor Ansteckung haben aber auch dazu geführt, dass weniger Menschen die Fahrzeuge des ÖPNV nutzen. So haben etliche Kunden zum Beispiel ihre Monatskarte gekündigt, weil sie seltener mit Bus und Bahn unterwegs sind. Der ÖPNV ist das Rückgrat der Verkehrswende. Deswegen sind hier neue Konzepte erforderlich. Die Herausforderung, einem flexibleren Mobilitätsverhalten gerecht zu werden und Kunden zurückzugewinnen, begegnet der ÖPNV auch bereits mit entsprechenden Angeboten. So testet der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zusammen mit der Rheinbahn zum Beispiel seit Juni das „FlexTicket“ – ein neues Tarifmodell, das sich ganz speziell an Beschäftigte von Unternehmen richtet.
Welche Aspekte sind Ihrer Ansicht nach auch nach Corona entscheidend, wenn es um neue Mobilitätskonzepte geht?
Insgesamt ist es wichtig, die unterschiedlichen Verkehrsmittel stärker zu vernetzen, so dass ich zum Beispiel mit dem Auto von Zuhause zu einer Mobilitätsstation fahre, dort in einen Zug steige und noch während der Fahrt einen E-Roller oder ein Fahrrad mieten kann, die dann für die Schlussstrecke vom Bahnhof zum Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Und in der Planung von Stadtmobilität sollte man nicht auf die perfekte Lösung warten. Einfach mal machen!
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