Heine-Preis 2018 für Leoluca Orlando
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Der Heine-Preis zählt zu den bedeutendsten Literatur- und Persönlichkeitspreisen in Deutschland und wird seit 1972 verliehen; er ist mit 50.000 Euro dotiert. Der Preis wird in diesem Dezember, an einem Termin rund um Heinrich Heines 221. Geburtstag (13. Dezember), in einem Festakt überreicht. Der genaue Termin des Festaktes wird noch bekannt gegeben. Die Heine-Preis-Jury traf ihre Entscheidung für Leoluca Orlando am 8. Juli. Die Jury begründete ihr Votum wie folgt: "Der Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf 2018 wird an Leoluca Orlando, den Bürgermeister von Palermo, verliehen. Leoluca Orlandos Einsatz bei der Aufnahme von Flüchtlingen an der Schnittstelle zwischen Afrika und Europa ist vorbildlich – ganz im Sinne der Grundrechte des Menschen und der Statuten des Heine-Preises. Mutig und konsequent hat Leoluca Orlando den Kampf gegen die Mafia geführt und damit seiner Heimatstadt Palermo erfolgreich das demokratische Selbstbewusstsein zurückgegeben. Nicht zuletzt dank Leoluca Orlando ist Palermo in diesem Jahr zur 'Italienischen Kulturhauptstadt' erklärt worden."
Der Heine-Preis wird durch die vom Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf eingesetzte Jury "an Persönlichkeiten verliehen, die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten". Oberbürgermeister Thomas Geisel: "Unter Einsatz seines Lebens hat Leoluca Orlando nicht nur den Kampf gegen die Mafia geführt: Angesichts der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer ist er auch ein glaubwürdiger und mutiger Streiter für Humanität und Menschenrechte."
Preisträger Leoluca Orlando - Kurzvita
Der italienische Jurist und Politiker Prof. Dr. Leoluca Orlando ist Bürgermeister von Palermo und vor allem für seinen Kampf gegen die Mafia bekannt. Er ist ein international gefragter Experte für Bandenkriminalität. Leoluca Orlando wurde am 1. August 1947 in Palermo geboren. Er wuchs mit sechs Geschwistern auf. Seine Mutter stammte aus einer sizilianischen Aristokratenfamilie, sein Vater war Dekan im Fachbereich Jura an der Universität in Palermo. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften arbeitete er als Anwalt. Orlando war als Berater für die Mittelmeerländer in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Paris tätig. Später (1978-1980) arbeitete er als Berater für Piersanti Mattarella, des zeitweiligen Regierungschefs von Sizilien, der von der Mafia getötet wurde.
Ab 1975 wurde Orlando politisch in der Democrazia Cristiana (DC) aktiv und saß ab 1980 im Stadtrat von Palermo. 1985 wurde er zum Bürgermeister von Palermo gewählt. Seine Amtszeit wird als "Frühling von Palermo" bezeichnet, da er sich entschieden gegen die Mafia einsetzte. Orlando trat aufgrund immensen Widerstandes 1990 zurück, verließ die DC und gründete 1991 die Partei "La Rete" (zu deutsch "Das Netz"). Die Partei schrieb sich den Kampf gegen die Mafia auf die Fahnen und setzte sich für Transparenz in der Politik ein. Noch 1991 wurde er ins sizilianische Regierungsparlament gewählt, ein Jahr später zog er mit elf Abgeordneten seiner Partei ins Parlament ein.
Aufgrund seines Kampfes gegen die Mafia galt Orlando als einer der Ersten auf der sogenannten "Abschussliste" der Cosa Nostra. Nachdem 1992 Giovanni Falcone und Paolo Borsellini ermordert wurden, floh er mit seiner Frau und wurde an seinem Fluchtort bewacht.
1993 kandidierte Orlando bei den ersten direkten Bürgermeisterwahlen Italiens erneut in Palermo und setzte sich durch.
Von 1994 bis 1999 saß er im Europaparlament, und wurde 1997 als Bürgermeister Palermos bestätigt. 1999 trat Orlando der Partei "Die Demokraten" bei.
1999 gründete Leoluca Orlando das "Institut für die Wiedergeburt Siziliens". Die Kulturstiftung sollte das zivilgesellschaftliche Engagement für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördern. Unter Leoluca Orlando erlebte Palermo in verschiedenen Bereichen einen Wandel. Sie wurde zu einer der sichersten Städte Italiens, die Zahl der Tötungsdelikte sank und im Dezember 2000 wurde in Palermo die UNO-Konvention gegen das organisierte Verbrechen verabschiedet. Nach zwei Amtszeiten in Folge durfte Leoluca Orlando nicht erneut kandidieren. So trat er im Dezember 2000 als Bürgermeister zurück und trat zu den sizilianischen Regionalwahlen 2001 an.
2006 wurde Leoluca Orlando für die Partei "Lista Italia dei Valori" in das italienische Parlament gewählt. Die Partei wird von dem Antikorruptionsrichter Antonio Di Pietro angeführt.
2012 trat er erneut zur Wahl des Bürgermeisters in Palermo an und bekleidet seither das Amt. In der "Charta von Palermo 2015" forderte Leoluca Orlando unter anderem von der EU, die Einrichtung eines humanitären Korridors für Flüchtlinge von Libyen nach Europa.
2016 stellt Leoluca Orlando eine App (namens "Noma" für "No Mafia") vor, die Straßen und Plätze in Palermo beleuchtet, wo die Mafia mordete. Zudem wird die Geschichte der Opfer erzählt.
Werke: Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Essays, wie "Palermo" (1990), "Ich sollte der Nächste sein: Zivilcourage - die Chance gegen die Korruption und Terror" (2002) oder "Ich sollte der Nächste sein: ein Politiker im Fadenkreuz der Mafia" (2010). Zudem veröffentlichte Orlando Chansons, Drehbücher, Erzählungen und trat auch selbst als Schauspieler auf.
Prof. Dr. Leoluca Orlando wurde unter anderem mit der Goethe-Medaille (1999), dem European Civic Prize (2000), dem Bayard Rustin Human Rights Award (2000), dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück (2005) und dem Konrad-Adenauer-Preis der Stadt Köln (2008) ausgezeichnet.
Bisherige Heine-Preisträger sind:
Carl Zuckmayer (1972), Pierre Bertaux (1975), Sebastian Haffner (1978), Walter Jens (1981), Carl Friedrich von Weizsäcker (1983), Günter Kunert (1985), Marion Gräfin Dönhoff (1988), Max Frisch (1989), Richard von Weizsäcker (1991), Wolf Biermann (1993), Wladyslaw Bartoszewski (1996), Hans Magnus Enzensberger (1998), W.G. Sebald (2000), Elfriede Jelinek (2002), Robert Gernhardt (2004), Amos Oz (2008), Simone Veil (2010), Jürgen Habermas (2012), Alexander Kluge (2014) und A. L. Kennedy (2016).
Der Heine-Preis-Jury 2018 gehörten an
als Vertreter der Landeshauptstadt Düsseldorf: Thomas Geisel (Oberbürgermeister/Vorsitzender der Jury), Hans-Georg Lohe (Kulturdezernent), Dr. Sabine Brenner-Wilczek (Direktorin des Heinrich-Heine-Instituts)
als Vertreter der Fraktionen: Dr. Veronika Dübgen (FDP)Georg Blanchard (Die Linke), Cornelia Mohrs (SPD), Dr. Susanne Schwabach-Albrecht (CDU), Karin Trepke (Bündnis 90/Die Grünen)
als Fachjuroren: Dr. Traudl Bünger (Köln, Autorin, Literaturveranstalterin lit.cologne), Reinhard Gorenflos (München, Kuratoriumsmitglied Stiftung Lyrik Kabinett), Jochen Hieber (Frankfurt, Autor und Journalist), Dr. Florian Höllerer (Berlin, Leiter Literarisches Colloquium Berlin), Dr. Wolfgang Trautwein (Berlin, Archivdirektor a.D. der Akademie der Künste)
als entsandte Mitglieder: Felix Droste (Verleger, 1. Vorsitzender der Heine-Gesellschaft), Prof. Dr. Anja Steinbeck (Rektorin der Heinrich-Heine-Universität)
Hinweis: Die Jury-Mitglieder Dr. Wolfgang Trautwein (Berlin, Archivdirektor a.D. der Akademie der Künste) und Prof. Dr. Anja Steinbeck (Rektorin der Heinrich-Heine-Universität) waren terminlich verhindert und konnten an der Sitzung nicht teilnehmen.
Text: Valentina Meissner